Rabeneltern
Rabeneltern?
Nach dem Gottesdienst zeigte Antje Michaela und mir ihr neues zu Hause, ihre Stadt Kyritz.
Ein sehr heißer Sommertag war dieser 8.6.2008. Plötzlich entdeckte Michaela in einer Häusernische ein Rabenjunges. Ratlos positionierten wir uns vor das Junge. Wie könnten wir den kleinen, flauschigen Kerl einfangen, wie transportieren wir ihn zum Auto? Wird er zuhacken mit seinem spitzen Schnabel, wo wäre überhaupt die nächste Tierstation?
Antje und Michaela schauten sich um. Weit und breit niemand den man fragen konnte.
Inzwischen öffnete bei mir die Fantasie eine Tür. In Gedanken saß der kleine Rabe, den ich Kurt nannte, in meinem Garten, mit mir und meinem Kater Yossi am Kaffeetisch bei Käse, Käsekuchen und leckerer Sahne. Beide Tiere verband eine große Sympathie und es schien als seien wir drei zusammen geboren. Von Zeit zu Zeit durchschritten wir den Garten, links an meiner Seite Yossi und rechts an meiner Seite Kurt. Gestikulierend diskutierten wir über Umweltverschmutzung, Tiertransporte und Massentierhaltung. Wir schwatzten über Mode. Wir philosophierten über die Vereinsamung von Mensch und Tier trotz Gemeinschaft.
Krächzend, mauzend und sprechend spazierten wir wieder zum Kaffeetisch, und ließen uns von der Sonne wärmen.
„Ines, Ines, bist du im stehen eingeschlafen?
„Was, wieso, was ist los?“
Nun lachten Antje und Michaela. Michaela sagte lasst uns nach Hause fahren.
Ganz benommen, so als ob ich ewig lange fort war, hörte ich mich die beiden fragen
„Und was ist mit Kurt?“
„Wer ist Kurt?“ fragte Michaela zurück.
„Na Kurt ist doch der kleine Rabe!“ antwortete ich.
Erneut brachen die beiden in Gelächter aus.
Die ganze Zeit während wir hier verweilten kreisten über uns zwei Raben, lautstark krächzend, uns fast bedrohend. Sie waren überhaupt nicht einverstanden mit uns, sie wollten uns vertreiben, ablenken von ihrem Rabenkind.
Erleichtert traten wir den Heimweg an.
Trotzdem spüren Yossi und ich, dass uns Kurt manchmal besucht, mit dem Schnabel an die Fensterscheibe klopft, wohlwollend ins Zimmer blickt und fröhlich krächzend wieder davonfliegt.