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Kartoffelberg


  Gewidmet Isaak in Israel                                                      Fürstenwalde, 19.05.2004




                   An einem Tag werde ich aufwachen und all meine Tränen            
                                  prall gefüllt mit der Schwere meines Schicksals
                                        durchtränken die geschundene Erde
                                          sorgsam geschliffene Diamanten
                                                    die sie mir entreißt
                                        und mal um mal hastiger verschlingt
                                   Und verdorrtes Gras wird für mich grünen
                            
                                                                                       


Kartoffelberg

Ohnmacht platziert sich in drei Kartoffelhaufen
Kartoffeln, ein Lebensmittel - enthalten Stärke. Im Notfall sind Kartoffeln auch unverarbeitet essbar.
Doch zu schwach, viel zu schwach die Ohnmächtigen im Kartoffelberg.
Stille ist da.


Da war mal eine Zeit, die ist noch nicht lang her. Dennoch zählt sie mehr Jahre zurück als ich
es alt bin. Bei jenen, die in ihr lebten, verschieben sich heute ihre Jahre in einen altersausklingenden Zahlenbereich. Also, hört ihnen zu, geht hin und fragt sie!
Es war keine gute Zeit und man suchte Schuldige und siehe da, man fand.
Viele Menschen in den Jahren danach und bis ins Jetzt Geborene wissen um diese Zeit.
Werden jene Geschehnisse ins unermessliche verdreht und verharmlost?                                      
Geschickt unter so manchem Deckmantel gewärmt?
Unter diesem Deckmantel bläht und bläht diese Zeit und die Taschen quellen über und diese Zeit rinnt aus ihnen.
Ab und zu werden die Knöpfe des Mantels geöffnet und diese Zeit wird wieder vor Jugendliche hingestreut und favorisiert.
Wer ist schon andauernd bemüht sich um die Mantelträger zu sorgen?                        
Vergessen wie damals die Lawine ins Rollen gekommen und verharmlost in der Gegenwart die Taten und Ideologien der Mantelträger.
Doch ich möchte nicht von der Gegenwart berichten, so gehe ich ca. 70 Jahre zurück in jene Zeit.
Arbeitslosigkeit, Armut, schlichtes Dasein, Gewalt – Deutschland am Ende?
Woher für dies alles Schuldige nehmen, in der Politik, bei sich selbst, suchte keiner.                  
Man war eben so geboren, entweder arm oder reich.
Die Unzufriedenheit beim kleinen Mann wuchs. Siehe da, da gab es welche,
die kümmerten sich um diese Unzufriedenheit in hervorragender Weise.                              
Und  es gab genügend Schuldige, die für alle diese Mängel nun zur Verantwortung gezogen werden mussten.
Da gab es also in Deutschland Köpfe die sahen diese Schuldigen nur an, und wussten,
das waren die Schuldigen.
Die Köpfe waren der Meinung in ihrem neuen Deutschland muss  man solche Nichtmenschen, nicht lebensfähigen Menschen, von ihrem Nichtleben befreien, so konnten sie den Menschen nicht mehr so zur Last fallen Deutschland würde regelrecht aufblühen. Die Nichtmenschen, Blinde, Gehörlose, saßen in Rollstühlen, gingen an Krücken, konnten vielleicht nicht sprechen oder waren geistig verwirrt und  mussten doch irgendwie ernährt werden.
Da waren keine Unterschiede ob diese Nichtmenschen vielleicht alleine leben konnten oder wirklich  massivster Hilfe ihrer Mitmenschen bedurften.
Heutzutage nennen wir diese Menschen Behinderte und sie sind voll integriert zumindest in unsere schöne deutsche Statistik.                                                                                                
So sammelte man also diese Behinderten von überall in Deutschland ein, leicht zu finden, sie waren ja registriert. Auch brauchte man ihnen nicht große Erklärungen machen, welche Experimente mit ihnen stattfinden sollten, sie waren ja Nichtmenschen. Man versammelte sie in großen Räumlichkeiten und vergaste sie in aller Stille.                     Zufrieden sahen die Vergasten aus, bemerkten die Ärzte. Den Angehörigen teilte man mit, neue Therapien führten leider den Tot herbei. Ein gelungenes Experiment!
Aber da das Aufblühen in Deutschland dennoch nicht so recht voranschritt, suchte und suchte man nach weiteren Schuldigen. Weitere Nichtmenschen wurden ausfindig gemacht. Das sind bis zum heutigen Tag die Juden, eine Vielzahl mehr als die Behinderten.                                        
Kluge Köpfe tüftelten und tüftelten, wie könnte man diese Juden am schnellsten und am effektivsten beseitigen.       Zuerst erschlug man sie noch, erschoss sie noch, auch dass half Deutschland nicht, es war zu teuer.                             Spezialisten hatten ein bahnbrechendes System entwickelt.
Man ließ diese Juden nach der Vergasung zu Rauch aufgehen. So hatten sie die Chance eine Zeit bei Gott in der Höhe zu verweilen um dann auf die schöne, deutsche, reine Erde millionenfach hernieder zu rieseln und so laut ihrer Religion ins Totenreich einzukehren.          
Nun fühlte sich Deutschland scheinbar ganz wohl, die Wirtschaft wurde angekurbelt, ausreichend Arbeit war vorhanden, es gab satt zu Essen. Das Volk und somit Deutschland blühte und blühte und blüht wieder.


Kartoffelberg    

 In den Kellergewölben eines Wirtschaftstraktes eines polnischen Städtchens waren alle jüdischen Männer zusammengetrieben, Alte und Junge. Nackt ausziehen wurde befohlen. Nackt ausziehen und die Sachen beiseite legen, ihr werdet heute noch alle erschossen, hieß es.                                                                              
Aufregung, Stimmengewirr, Angst, Hilflosigkeit, Wut, Zittern, all das war in diesen Männern. Isaak war auch unter ihnen. Er war etwa zwanzig Jahre. Er hatte seine gesamte Familie verloren. Warum sollte ausgerechnet er am Leben bleiben, jetzt war die Chance da, durch den Tot  konnte er zu ihnen. Und dennoch, irgend etwas in ihm bäumte sich auf. Im Stillen bat er seinen Gott, nicht nur für sich allein, für alle. Gibt es ein Entrinnen, werden wir vielleicht gerettet, lass ein Wunder geschehen.                                                                                          
Auf einmal tauchte neben Isaak ein älterer Mann auf. Du sollst leben, ich bin alt, aus meiner  Familie bin nur noch ich da.  Du sollst leben, du sollst gerettet werden, sprach er erneut zu Isaak.                                                                               Wie aber konnte man gerettet werden, aus einem Kellergewölbe das ständig bewacht wurde, wo die Scharfschützen schon auf ihr Amüsement warteten. In wenigen Stunden sollten Gewehrschüsse knallen und die Existenz aller jüdischen Familien aus diesem polnischen Städtchen würde für immer ausgelöscht sein.                                        
Den alten Männern war klar, sie mussten ihre Jungen retten.                                                  
So wurden drei junge Männer unter drei Kartoffelbergen vergraben.
Nun steckte Isaak im Kartoffelberg. Mit ihm nistete sich Ohnmacht ein.                              
Die Zeit hatte ihre Sekunden, ihre Minuten, ihre Stunden verloren. Wäre Isaak kräftig genug gewesen, hätte er eine dieser rohen Kartoffeln essen können, sein Körper würde gestärkt sein.
Eine Tür wurde aufgeschlagen und Frauen mit Körben kamen um für ein Mahl Kartoffeln zu holen. Wie aber erschrak eine jede, als sie von den Kartoffelbergen Kartoffeln in ihre Körbe sammelten. Plötzlich sichtbar sanken drei Gestalten aus den Kartoffelbergen auf den Fußboden des Kellergewölbes.
Ängstlich kamen die Frauen auf die Gestalten zu. Zwei der Jungen hatten überlebt, ein Junge war erstickt.  
Erstickte in einem Kartoffelberg, in einem Lebensmittel.                                                      
Ein Wunder, Isaak und der andere Junge hatten Glück, überlebten. Die Frauen halfen ihnen sogar, versorgten sie mit Kleidung und Nahrung.  
Für Isaak gab es noch einige Wunder ehe ihm die endgültige Flucht nach Palästina / Israel gelang.
Heute, im Jahre 2004, achtzig Jahre überschritten, lebt er mit seiner Frau Ester in Israel.      
Ich freue mich, dass er am Leben ist, ich freue mich, dass ich ihm begegnen durfte, ich freue mich, dass ich ihn und Ester im vergangenem Jahr in Israel traf.


Millionenfacher Tot hat sich gelohnt für Deutschland
in millionenfachem Zahngold,
in millionenfachen Haaren,
in millionenfachem Schmuck,
in millionenfachem Kapital.          
Nicht gelohnt in millionenfachen Tränen.                                                                            
Haben die Damaligen etwas geahnt, gewusst?                                                                
Wollen wir heute etwas ahnen, wissen ?




 Mit dem ersten Sonnenstrahl verabschiede ich den Wunsch der letzten Nacht
                             und begrüße mit Schwung eine neue Hoffnung
                                                    Oh mein Gott
                                                  sei bei all denen
                                        die ich in meinen Tränen wiege




                                             Schalom


                                                     Ines – Kathrin Pape