Viel Freude beim lesen

Die schluchzende Seidenraupe


Die schluchzende Seidenraupe


Erstes Kapitel


Nachdenklich saß Pascal auf der Kante des Bettes seines kleinen Sohnes den er immer gern Knuffel nannte. Knuffel hieß in Wirklichkeit Marian.
Knuffel wollte jeden Abend eine ausgedachte Geschichte von seiner Mutti oder seinem Vati hören. Heute war Pascal dran. Nichts aber auch gar nichts wollte ihm einfallen und Knuffel drängelte und quengelte. Pascal beschloss mit Knuffel einen Kinderfilm anzuschauen. Sein Vorschlag glückte, schon nach kurzer Zeit konnte er Marian zurück in sein Bettchen tragen. Zärtlich küsste er seinen kleinen Sohn und schlich leise aus dem Kinderzimmer.
Marians Mutter Mareike hatte mehr Fantasie doch sie hatte diese Woche Spätdienst im Krankenhaus.
Plötzlich hatte Pascal einen Einfall. Er lief in den Keller um die Kiste mit den kleinen Besonderheiten zu suchen, die ihm seine Oma Katrin hinterlassen hatte. Diese Oma war schon eine komische Person. Auf einmal packte sie vor vielen Jahren die Sehnsucht nach ihrem Traum so stark und oh Wunder, dieser Traum erfüllte sich. Sie wohnte jetzt in einem kleinen Haus am Mittelmeer mit dem Mann ihrer Träume.
Spärliches Licht fiel auf den Kisteninhalt. Pascal griff nach einem Eckstein aus Marmor, vielleicht ein Teil einer Fensterbank. Opa Günther fand ihn im Sand am Strand von Tel Aviv und schenkte ihn der Oma Kathrin. Sie selbst hätte ihn wohl nicht gefunden da sie an einer schweren Krankheit erblindet war. Oma Kathrin sagte immer, dass dieser Stein der erste für ihr Haus am Mittelmeer sei. Behutsam strichen Pascals Finger über die glatte Fliese aus Marmor. Sie hat es geschafft, das Haus steht jedoch nicht in Israel.
Opa Günter wohnt neben Pascal und hier im Keller erinnert sich Pascal an die Geschichte mit dem Stein und an seine Oma Kathrin. Morgen wird er sie anrufen, viele Jahre tat er es nicht, aber morgen! Sie hingegen ruft öfter an, kennt Mareike und sein Söhnchen nur von den Stimmen am Telefon.
Er kramt weiter. Einen bunten Schal mit Fransen in türkisgrün, gelb, französisch blau und braun zog er nun aus der Kiste. Diesen Schal kaufte die Oma auf dem arabischen Basar in Jerusalem.
„Was hast du da?“, Mareike  sah ihn verwundert an.
„Als ich ein kleiner Junge war, so etwa acht Jahre, haben meine Oma Kathrin und ich viel Spaß beim Bauchtanzen gehabt. Dabei fuchtelte meine Oma mit dem Schal vor meinen Augen herum und wir drehten uns im Kreis, lachten und glucksten und kreischten herrlich laut zu der orientalischen Musik.
Pascal hob den Kopf, „schläft der Kleine?“
„Ja, ganz fest“ antwortete Mareike. Leidenschaftlich küsste sie ihren Mann und kramte nun selbst in der Kiste. „Ist da nicht noch die DVD vom Bauchtanzabend, die dir deine Oma aus der Türkei mitbrachte? Hier, hier ist sie, komm mein lieber, nimm den Schal. Jetzt machen wir in unserem Wohnzimmer Bauchtanz und dann erzählst du mir mehr von deiner verrückten Oma“.


Zweites Kapitel


Als Mareike am darauffolgenden Abend nach Hause kam hatte sich Pascal schon im Keller eingenistet.
„Na, was hast du mir dieses Mal zu berichten?“ fragte sie neugierig.
„Die Kiste hat einen doppelten Boden. Ich bin gerade dabei dem Geheimnis auf die Spur zu kommen“. Er zog eine ziemlich große Tüte, in der etwas dickes, weiches sein musste, hervor.
Der rote Wintermantel, mit dem Aufmerksamkeit erregenden breiten Kragen an dem drei etwa drei Zentimeter große Broschen untereinander eingesteckt waren, wurde sichtbar.
„Oh“, sagte Mareike und probierte sofort den Mantel an. „Der ist hochelegant, leider eine Nummer zu groß. Vielleicht kann ich ihn ändern lassen.“
„Was, du willst diesen Mantel tatsächlich in der Öffentlichkeit tragen? Meine Mutter fand ihn immer doof. Aber meine Mutter und meine Oma waren, was die Mode betraf, grundsätzlich unterschiedlicher Meinung.
Zu Onkel Patricks Jugendweihereise nach Italien hatte Opa Günter die beiden begleitet. In Venedig kaufte er dann der Oma Kathrin diese drei Broschen, einen Harlekin und zwei Clowns. Abends saßen die drei bis spät in die Nacht am Meer. Sie tranken Wein und Cola und lauschten was die Wellen von den weit entfernten Meeresbewohnern wie eine bunte Illustrierte, verkündeten. Um Mitternacht mahnten die Carabinieri die Strandbummler in ihre Hotels zurückzukehren. Sie sahen majestätisch aus, in Uniform auf ihren Pferden, verströmten Respekt und Romantik. Die drei gingen den Weg zu ihrem Hotel. Er führte über die breite Straße. Am Tage war sie eine schwer passierbare Hauptstraße. Doch zum frühen Abend wurde sie verwandelt durch Eisverkäufer, Kaffees, Boutiquen, Straßensänger und vieles mehr, die Straße lud zum tanzen ein.
Mareike, Mareike, he, komm zurück in unseren Keller!“
„Ach Pascal, es war eben traumhaft schön am Meer, ich bekomme Lust die Oma persönlich kennen zu lernen.“
Pascal erzählte Mareike, dass Oma Kathrin immer Angst hatte vor dem Harlekin mit dem weißgeschminkten Gesicht, den schwarzen Augen und er schwarzen Träne. Kathrin ward es unbehaglich in seiner Nähe mit seiner Wahrheit in schwarz – weiß. Aber dann kamen die Clowns, die bunten Clowns, mit roter Nase, blau, grün, gelb, lila – farbenem Gewand, kamen mit Witz und Charme und Kathrin lachte. Sogar der Harlekin, der sich davon gemacht hatte, sprang dann wieder auf den Mantelkragen. Er streute über die Clowns bunt glitzernden Traumstaub. Doch bei ihm selbst verwandelte er sich in eine einzige glitzernde Farbe. Wenn Kathrin in dem Mantel durch die Stadt ging schauten ihr die Passanten nach. Blieb sie stehen, betasteten manche Menschen die kleinen Broschen, sie luden einfach zum anfassen ein. Die Menschen selbst schienen danach freundlicher und die seltsamsten Gespräche begannen.
„Pascal, da sagst du immer du hast keine Fantasie, du hast nichts was du Knuffel erzählen kannst. Ich denke, wenn Knuffel so eine Geschichte hört wird er wunderbar einschlafen und träumen. Ich jedenfalls fand diesen Ausflug in die Kramkiste deiner Oma herrlich.“


Drittes Kapitel


Knuffel wunderte sich. Seit einigen Tagen beobachtete er die Eltern wie sie im Keller saßen, lachten und von irgend einer Oma Kathrin erzählten. Alles konnte er nicht verstehen. Irgendwelche Dinge holten sie aus einer großen Kiste. Seine Mutti hatte einen roten langen Mantel an, von dessen Kragen es glitzerte und funkelte, den er nicht kannte aber vielleicht war ihr kalt im Keller.
Jetzt kamen die Eltern die Treppe hinauf. Schnell huschte er in sein Bett zurück. Er nahm sich vor morgen mutig selbst im Keller nachzusehen was dort los war.
Am nächsten Tag holte ihn sein Urgroßvater Günter aus dem Kindergarten ab. Zu Hause angekommen setzte sich der Opa auf die Terrasse, rauchte eine Zigarette und trank seinen Kaffe. Dies war eine günstige Gelegenheit für Knuffel sich davon zu stehlen. Der Opa würde nicht bemerken wohin Knuffel ging da er schon etwas schwer hörte.
Auf dem Weg zum Keller nahm Knuffel seinen Teddy mit. Pochenden Herzens drückte er die Kellertür auf, schaltete das Licht ein und stieg etwas zitternd die Kellertreppe hinab. Vorsichtig hob er den Deckel der geheimnisvollen Kiste ab. Ach, wie herrlich bunt es darin aussah. Er setzte seinen Teddy zur Seite und nahm eine kleine bunte Schachtel heraus, schob den Deckel wieder auf die Kiste und eilte hastig in sein Kinderzimmer.
Nun war er sehr gespannt was in der bunten Schachtel war. Viele kleine Teile, in Servietten eingewickelt, lagen in der Schachtel. Mit großer Anspannung wickelte er alles aus. Es kamen drei silberfarbene Miniteller mit Blumenornamenten und dazu zwei passende Löffelchen zum Vorschein.
Nun wickelte er zwei kleine Gläschen aus, so ähnlich wie die, aus denen sein Vati und sein Uropa immer mal ein Schnäpschen trinken. „Eine gute Medizin“ sagten sie dann und dann lachten die beiden. Knuffel wickelte ein Tässchen mit silbernem Griff und einem Deckel aus. Es passte genau zu einem der silbernen Teller, alles sah aus wie Puppengeschirr.
Er tat die Servietten in die bunte Schachtel, verschloss sie wieder und schob die Schachtel unter sein Bett. Die Gläschen und Teller versteckte er in seinem Bett unter der Zudecke.
Die Eltern waren gekommen, es gab Abendbrot. Geheimnisvoll schaute die Mutter jetzt zu Knuffel.
„Heute Abend machen wir einen Ausflug!“
„Wohin gehen wir?“ fragte Pascal.
Marian klatschte in die Hände.
„Au fein Mutti, darf ich meine neue Jeans anziehen?“
„Brauchst du nicht mein Schatz, heute ist Freitag, heute wird gebadet, wir drei gehen im Schlafanzug aus.“
„Im Schlafanzug?“
Verwundert sahen sich die anderen an.
„Mutti, die Leute werden uns auslachen, ich mach da nicht mit“ beschloss Knuffel und verschränkte bockig die Arme vor seiner Brust.
„Mareike,“ hob Uropa Günter an „mir scheint, du bist genau so verrückt wie meine Exehefrau. Ich kenne das alles schon. Da steige ich aus, ich gehe zu mir und mache mir einen gemütlichen Fernsehabend. Danke fürs Abendbrot.“
„Spielverderber!“ rief Mareike kaum hörbar dem Uropa nach.
Eine Stunde später hörte man drei Menschen aus dem Keller kichern.
„Was ist denn heute dran ?“ fragte Mareike Pascal.
Dieser zeigte auf den Teddy in der Ecke. „Ich glaube hier war schon jemand schnökern. Knuffels Teddy hat das Licht für uns eingeschaltet und hier unten auf uns gewartet.“
Knuffels Gesicht glühte, er schämte sich, drückte seinen Teddy fest an sich und sagte zu seinen Eltern „kommt mit“.
Behutsam nahm er die Bettecke zurück und holte die bunte Schachtel unterm Bett hervor.
Er zeigte auf die Gläschen und Tellerchen. „Die waren hier in der Schachtel drin Vati.“ Dann fing er an zu weinen.
„Mareike, koch uns bitte Tee.“
Pascal nahm das kleine Geschirr ins Wohnzimmer mit, Mareike kam mit einer Kanne Pfefferminztee, sie zündete viele Teelichte auf dem Tisch an. Knuffel fand alles sehr gemütlich und kuschelte sich zwischen seinen Eltern auf dem Sofa ein. Pascal füllte die Gläschen mit Tee, auch die kleine Kaffeetasse und Knuffel durfte mit dem kleinen Löffel überall den Zucker umrühren.
„Aus solch kleinem Geschirr trinkt man im Orient Tee oder Kaffe und meine Oma Kathrin brachte es mit. Oft tranken wir daraus und spielten , die Küche sei ein riesengroßer Dampfer auf dem Mittelmeer. Schau Knuffel, hier ist eine Postkarte aus der Türkei, darauf ist so ein Dampfer zu sehen.“
„Der ist ja riesig, Vati, da möchte ich auch einmal mitfahren. Und wer ist deine Oma Kathrin, Vati?“
Glühenden Herzens erzählte nun Pascal seinem Knuffel von der Oma Kathrin.
„Sie lebt jetzt in einem Häuschen am Meer wo Palmen stehen und ab und zu reitet sie mit ihrem Mann auf einem Kamel am Meer entlang und dann trinken sie aus solchen Gläschen schwarzen Tee.“
Diese Oma muss Knuffel finden, will er unbedingt besuchen. In den nächsten Tagen würde er alle Süßigkeiten bei seinem Uropa Günter eintauschen gegen die Adresse von der Oma Kathrin. Er würde das Land schon finden wo es diese Kamele gibt und zur Sicherheit wird er auch die bunte Schachtel mit den Gläschen mitnehmen. Dabei gähnte er und schlief in Pascals Armen ein.


Viertes Kapitel



„Knuffel, schau was ich in der Kiste gefunden habe, “ sagte Pascal.
„Oh, ein Kamel aus Holz, von dort wo jetzt die Oma Kathrin wohnt, Vati?“
„Nein, das hat sie aus Israel mitgebracht.“
„Wo ist denn Israel, dort gibt es auch Kamele? Gibt es überall Kamele wo die Oma Kathrin Urlaub gemacht hat?“  Knuffel war sehr aufgeregt und fieberte vor Neugier ob die Oma vielleicht in Israel wohnt. Noch immer hatte er ihre Adresse nicht heraus bekommen. Der Austausch, Süßigkeiten gegen Adresse mit Opa Günter war nicht gelungen. Der Uropa sträubte sich die Adresse aufzuschreiben. Er meinte Knuffel sei noch zu klein, es reicht, wenn er in die Schule kommt. Und wenn er vernünftig Lesen und Schreiben kann wird er ihm alles aufschreiben.
Mareike setzte sich zu ihren Männern auf die Bettkante. Wohlig ausgestreckt lag Knuffel in seinem Bett und wartete auf eine Geschichte aus Israel.
„Einmal reiste die Oma in einer Gruppe nach Israel und sie trafen auf einen Mann aus Äthiopien, dieser Mann heißt Ruben. Als Ruben noch jünger war konnte er nicht lesen und schreiben wie fast alle seine Familienangehörigen. So wurde das, was die Familie über ihre Religion wusste, mündlich weitergegeben. Das reichte Ruben nicht aus, er wollte mehr wissen und so machte er sich auf den Weg durch die Wüste in die Hauptstadt Adis Abeba. In unserer Sprache heißt Adis Abeba „Neue Blume“.  Die unterschiedlichsten Menschen begegneten ihm auf seinem Weg. Manche waren sehr nett, gaben ihm zu essen und eine Schlafstelle und manche verscheuchten ihn wie einen Hund.“
„Vati, hatte der Junge keinen Schlafsack und keinen Rucksack mit Essen bei sich? Und ist er so ganz allein gelaufen, ohne Roller oder Fahrrad?“
„Wahrscheinlich mein Kleiner. In diesem Land geht es nicht allen Kindern gut. Doch hör zu.
Ruben kam nach seiner langen Wanderung in Adis Abeba an. Dort wohnte er bei einem Mann für den er auch arbeitete um sich sein Schulgeld zu verdienen. Er war eifrig im Lernen und konnte durch lesen in alten Büchern viel Wissen erlangen. Dadurch entstand der Wunsch in ihm, dass er in das Land seiner Väter, nach Israel reisen wollte. Er wollte in der Hauptstadt Jerusalem wohnen. Diese Reise sollte noch einmal einige Jahre dauern. Ein anderer Mann bot ihm an mit ihm in sein Land, nach Amerika, in die USA zu fliegen, er würde alles bezahlen.
Sollte Ruben dann immer noch nach Israel wollen, lässt er ihn ziehen. Ruben gefiel es nicht in Amerika. Er arbeitete als Zeitungsjunge, in Gaststätten und als Straßenfeger. Seine Sehnsucht jedoch nach Israel wurde immer größer. Er träumte von den alten Olivenbäumen, wie herrlich wird es sein diese Oliven zu essen, vom Gottesdienst in der Synagoge, vom Meer.
Von Freunden, mit denen er auf Kamelen durch die steinige Wüste zieht träumte Ruben.
Nun hatte er genügend Geld gespart und sofort kaufte er sich ein Flugticket nach Israel.
Es dauerte noch einige Zeit bis Ruben seine Wünsche selbst erleben konnte. Er ist jetzt Lehrer für alle Menschen die aus Äthiopien nach Israel kommen. Er hilft ihnen die hebräische Sprache zu erlernen, denn in diesem Land spricht man nicht unbedingt deutsch. Ruben hat eine Frau und zwei Töchter und wohnt am Meer in einer großen Stadt die Haifa heißt.
Meiner Oma Kathrin gab er zum Abschied einen Handkuss und wünschte ihr Glück.
Beide haben sich ganz kräftig die Hand gedrückt und jeder hat die Verbundenheit der Herzen gespürt und mitgenommen auf den eigenen Lebensweg.
In Israel sagt man zur Begrüßung und zum Abschied „Schalom“. Klingt dieses Wort nicht wie Musik? Es bedeutet „Friede mit dir, komm an oder ziehe weiter ohne dass dir Böses geschieht.
„Schalom, Schalom, Schalom“, rief Knuffel und juchzte vor Entzücken. „Was ist denn ein Handkuss“, fragend sah er von Mareike zu Pascal.
„ Das mache ich dir vor“ und Pascal nahm Mareikes Hand und küsste diese.
Mareikes Gesicht färbte sich leicht rot.
„Mutti, und jetzt merkst du Vatis Herz?“
„Ja mein Schatz,“ antwortete Mareike.
„Wisst ihr, so langsam reicht es mir, wie lange muss ich noch warten bis ich in die Schule komme?“ nun sah Knuffel vorwurfsvoll auf seine Eltern.
„Wir haben April und nun zähle selbst die Monate bis August. Lange brauchst du also nicht mehr zu warten“ sagte die Mutter.
Knuffel dachte, dass er bis dahin nicht vergessen darf was Schalom heißt und schade ist, dass die Oma Kathrin nicht in diesem Israel wohnt. So wüsste er schon einmal den Namen des Landes in dem sie wohnte, könnte ganz leicht einen Fahrschein dorthin kaufen und außerdem kannte er nun auch die Sprache. Aber vielleicht lebt sie ja doch in Israel denn er hatte schon gemerkt, dass sein Vati ihm manchmal nicht die Wahrheit sagte oder sein Vati hat den Namen des Landes vergessen weil er schon so alt ist. Er seufzte, dann drückte er seinen Teddy an sich und verkrümelte sich in sein Bett.


Fünftes Kapitel


In den darauf folgenden Nächten träumte Knuffel viel durcheinander. Nachts kam die Oma Kathrin auf dem Holzkamel geritten, sprang auf seine Lampe, die schaukelte dann hin und her.
Die Lampe hatte die Form eines Flugzeugs und die Oma Kathrin schaffte es sogar in dem Flugzeug zu sitzen und sie winkte aus dem Cockpit.
In einem anderen Traum wiederum saß die Oma auf seiner Bettdecke, rund herum ums Bett wuchsen Palmen und kleine Äffchen sprangen von Palme zu Palme. Knuffel und seine Urgroßmutter tranken schwarzen Tee aus den kleinen Gläschen. Dieser Tee schmeckte Knuffel nicht. „Ach, ach,“ sagte die Oma Kathrin, „ich habe ganz vergessen, dass du für schwarzen Tee noch zu klein bist. Doch du kannst dir wünschen was du möchtest, sage es laut und es wird in dem Gläschen sein.“
Zuerst wünschte sich Knuffel Kakao, dann rief er Grüne Brause und tatsächlich es funktionierte. Etwas übermütig bestellte er dann, bei wem auch immer, schwarzen Johannisbeersaft, den er sehr gern trank. Danach küsste die Oma Kathrin Knuffel auf die Stirn und verschwand.
Einmal träumte er die Oma Kathrin und er spielten am Meer mit Murmeln und bunten Glasbutzern. Immer wenn ein Butzer ins Meer rollte schnappten die Wellen zu und das Wasser wurde für kurze Zeit grün, blau, gelb, orange, oder lila. Knuffel war begeistert. Dann kam ein großer Fisch, spuckte den Butzer wieder aus und das Spiel begann von Neuem.
„Marian, aufstehen, wir müssen in den Kindergarten“, rief die Mutti. Nichts passierte. Etwas wütend über ihren kleinen Bummelanten, der schon die ganze Woche keine Lust hatte aufzustehen, eilte Mareike zu Marian ins Kinderzimmer.
„Junge, du bist ja ganz nassgeschwitzt“ und sie ging das Fieberthermometer holen. „Heute bleibst du zu Hause“ sagte sie zu Knuffel, gab ihm einen frischen Schlafanzug und bezog sein Bett neu.
„Huch, was war denn das, Knuffel.“ Entsetzt sprang Mareike zurück.
„Mutti, du brauchst keine Angst zu haben, es ist eine große Nuss mit vielen Fusseln und in der Nuss klappert der Kern. Hier, kuck mal.“
„Wo hast du die denn her, Marian?“ Mareike betrachtete die Nuss näher. „Das flauschige Bällchen, mein Schatz, ist gar keine Nuss. Es ist ein Häuschen in dem einmal eine Raupe lebte. Sie hat, als sie lebte, Fäden um ihren Körper gesponnen. Die Umhüllung mit den Seidenfäden sieht tatsächlich einer Nuss ähnlich und man bezeichnet sie als Kokon. Dieser Kokon ist ein Seidenraupenkokon, was darin so klappert ist die tote Seidenraupe. Also, wo hast du das her, Marian?“
Knuffel legte seine heißen Hände in die kalten seiner Mutti, sah sie mit großen Augen und ernstem Gesichtchen an. Erschöpft sagte er die Oma Kathrin habe ihm den Kokon heute nacht geschenkt. Dann weinte er heftig weil er endlich wissen wollte wo die Oma Kathrin wohnt. Er wollte mit ihr Johannisbeersaft trinken und Glasbutzer ins Meer werfen.
Mareike drückte ihren kleinen Jungen liebevoll an sich und sagte „aus den Fäden der Seidenraupe macht man in dem Land in dem deine Uroma Kathrin lebt Teppiche. Das Land heißt Türkei und die Stadt in der die Oma jetzt wohnt liegt am Meer und heißt Antalya.
So mein Spatz, jetzt bekommst du von mir noch ein Fieberzäpfchen und dann wird sich ausgeruht und geschlafen.“
Als Pascal am Abend nach Hause kam berichtete Mareike von Knuffels eigenartigen Fiebererzählungen. Beide machten sie sich Vorwürfe, dass sie den Jungen durch ihre eigene Begeisterung über die Oma Kathrin und ihre verrückten Souvenirs in diese zu starke emotionale Spannung versetzt haben. Pascal ging leise an das Bett seines kleinen Sohnes. Knuffel, mit seinem Teddy im Arm, schlief ganz fest. In der anderen Hand hielt Knuffel den Seidenraupenkokon. Wo der bloß herkam, wunderte sich Pascal und ging zurück zu Mareike. Mareike meinte, das der Kokon sicher auch in der Kiste gelegen hat und Knuffel wieder einmal heimlich im Keller in der Kiste gekramt hat.
„Nein“ sagte Pascal energisch. „in der Kiste waren nur noch eine vertrocknete Eichel und eine  kleine Eule aus blauem Stein. Morgen wollte ich Euch etwas davon erzählen.“
„Das machen wir lieber zu zweit. Wenn Knuffel schläft“ antwortete Mareike.
„Und der Kokon Pascal?“
„Dieser blöde Kokon. Den habe ich meiner Oma Kathrin zurückgegeben. Ich weiß nicht wo er jetzt herkommt. Eines Tages wollte mir meine Oma ein ganz besonderes Geschenk machen und sie schenkte mir ihren kleinen Seidenteppich. Dieser Teppich kann fliegen sagte sie, wenn man die toten Seidenraupen achtet und sie verwies auch auf den Kokon in ihrer Hand. Ich war zwölf, ich fand alles ziemlich doof und warf den kleinen Teppich achtlos in eine Ecke. Dann war die Oma in ihr neues Leben abgereist, nur ihren Kater nahm sie mit.
Oben auf der Kiste Lag der Teppich. Ich war so wütend und habe den Teppich hinter das Kellerregal verbannt, so ein Quatsch mit dem fliegen, dachte ich.“
„Da liegt er noch immer?“ wollte Mareike wissen.
„Ja sicher, aber wo der Kokon so plötzlich herkommt weis ich wirklich nicht.“


Sechstes Kapitel


„Pascal komm, ich habe uns ein Glas griechischen Wein eingeschenkt.“ Sehr gemütlich hatte Mareike das Wohnzimmer hergerichtet. Sogar Homers Werke, die Odyssey und die Ilias hatte sie aus dem Bücherregal herausgesucht. Griechenland, Mareike verdrehte schwärmerisch die Augen, trank einen Schluck Wein und lehnte sich voller Erwartung in den Sessel. Was würde Pascal noch wissen von den Erzählungen der Oma Kathrin.
„Nun fang endlich an Pascal“, bat sie.
„Meine Oma Kathrin hat von all ihren Reisen geschwärmt. Allmählich gibt es in meinem Kopf ein Länderknäuel. Der Inhalt dieser Kiste dort im Keller verwirrt mich selbst und ich bedaure, dass ich oftmals nicht richtig zugehört habe.“
„Pascal, all diese Erinnerungen, die dir einfallen, erzählst du so ausdrucksstark, dass ich sofort mit dir in so ein Land reisen möchte. Außerdem ist es doch viel interessanter, dass unsere gemeinsamen Abende mit zuhören, mit diskutieren, mit träumen ausgefüllt sind und wir nicht vorm Fernseher einschlafen. Es ist doch spannend in Nachschlagewerken zu lesen, sich auszutauschen und unser Ziel sollte wirklich sein deine Oma Kathrin zu besuchen. Ist dir aufgefallen, dass wir in den letzten Wochen den Fernseher gar nicht mehr eingeschaltet haben?“ sprudelten die Worte nur so aus Mareike heraus.
Er goss ihr Wein nach und küsste sie leidenschaftlich und lange.
„Ich werde mich überwinden und meine Oma anrufen.“ sagte er.
Die kleine blaue Eule in seiner Hand war ganz heiß. Er stellte sie in die Tischmitte.
Im Kerzenschein blitzten die Augen der Eule und das erste Geheimnis offenbarte Athene nun den beiden. Beide waren sie erschrocken als Athene durch den Raum schwebte, oder war es der Wein?
„Meine Oma Kathrin reiste vom Mittelmeer, von Thessaloniki bis zur Akropolis in Athen. Sie schiffte um den heiligen Berg Athos. Ihr Weg führte durch Mackedonyen, wo sie Alexander den Großen traf. Sie besuchte Nonnenklöster. Ihre Reisebegleiter waren die antiken Götter und in ihren Gedanken unterhielt sie sich gern mit Homer. Ihre Favoritin ist die Göttin Athene. Für so viele kulturelle Fortschritte ist Athene Patin, sie ist zugleich Friedens – und Kriegsgöttin. Sehr beeindruckend fand Oma Kathrin die Geburt der Göttin Athene. Geboren aus dem gespaltenen Schädel des Zeus. Zeus fraß Athenes Mutter als sie schwanger mit Athene war da er erfahren hatte, dass ihm ein Kind geboren wird , dass ihn an Weisheit übertrifft und somit ablösen sollte.
Oma Kathrin hat die kleine Eule in Delphi gekauft. Am Tag bestieg sie mit einer Reisegruppe die Tempelanlage des Orakels von Delphi, was die Oma seelisch sehr anspannte und tief beeindruckte. Am Abend betrat sie ein kleines Lädchen und wählte diese Eule. Es fand zwischen ihr und der Ladenbesitzerin ein Gespräch in englischer Sprache statt.
>Oh, wo kommen sie her, aus München?<.
>Nein aus Berlin<.
>Berlin, Berlin, diesen Namen habe ich noch nie gehört.<
>Berlin ist die Hauptstadt von Deutschland.<
>Sehr interessant.<
„Damit übergab die Ladenbesitzerin der Oma die Eule in einem kleinen Kästchen und begleitete sie zur Tür.
Oma Kathrin gab ihr die Hand und sagte zu ihr >Kali nichta<, was auf deutsch gute Nacht heißt. Die Griechin ihrerseits stellte nun auf deutsch fest,  >Meine Dame, sie sprechen griechisch?< Da lachten beide Frauen und drückten sich voll Sympathie die Hände.
Die Oma fuhr weiter nach Korinth, nach Epidaurus, nach Mykene.
In Mykene stellte sie ihre Reisegruppe an den Felsen von dem angeblich Kassandra die Seherin hinuntergestürzt wurde. Oma Kathrin ließ sich auf einer Bank nieder, die Sonne wärmte ihr Gesicht und sie bat Poseidon um einen mächtigen Wind. Irgendwie hatte sie zu den Göttern einen heißen Draht denn Poseidon legte in ihre Hände die kleine Eichel vom Baum des Lebens. Sie bat die Götter, nur für einen kurzen Augenblick mögen die Menschen ihrer Reisegruppe geblendet sein ins schwarze Licht. Die Menschen der Gruppe waren sehr nett doch häufig wollten sie die Oma Kathrin bevormunden weil sie sehen konnten. Das machte meine Oma sehr traurig und das Diskutieren über die Blindheit brachte manches Mal nur noch mehr Missverständnisse. Der Reiseführer führte die Gruppe in Richtung einer Grabhöhle. Nein schrieen plötzlich alle, hier gehen wir nicht weiter, wir sehen nichts mehr.“
Mareike hatte bereits das dritte Glas Wein getrunken, sie hörte nur noch von Weitem was Pascal erzählte. In ihrer Fantasie tanzte sie in bunten Gewändern auf einem Marktplatz in Athen. Irgendjemand rief >so tanzen Götter.<
In Griechenland heißt es >Tanzen wie die Götter<, das bedeutet, >wer sich der Musik hingibt, gleicht einem Gott.<
Durch einen lauten Rums wurde Mareike jäh aus ihrer Stimmung gerissen. Alle Leichtigkeit hatte sie Verlassen, kreidebleich ihr Gesicht. Pascal zog sie aus dem Sessel zu sich auf das Sofa. Sie hielten den Atem an und lauschten. Es folgte ein zweites lautes Krachen.
„Was war das?“.
Pascal ging nachzusehen. Knuffel stand vor ihm, die Teekanne ist ihm aus den Händen gerutscht und in kleinen Rinnsalen lief der Tee durch die bunten Scherben der Kanne.
Schnell beseitigte Pascal das Malheur und Mareike brachte Knuffel zurück ins Bett.
„Das war unheimlich und hörte sich nicht an wie eine einfache Teekanne die zerbricht“, meinte Mareike.
Pascal zuckte mit den Schultern. „Liebes, es war die Teekanne, vielleicht hast du zu viel Wein getrunken.“
„Vielleicht mein lieber, komm wir gehen zurück ins Wohnzimmer. Jetzt trinke ich erst recht noch ein Gläschen“, antwortete Mareike demonstrativ, prostete ihm zu und schmiegte sich an ihn.
„So und jetzt erzählst du mir noch eine schöne Geschichte von deiner Oma.“
Er lächelte und streichelte ihr Haar.
„Eine der Lieblingsblumen meiner Oma ist die Hyazinthe. Wenn die Hyazinthen blühten, wurde Oma Kathrins Wohnung durchströmt von ihrem schweren, betörenden Duft.
Des Nachts stellte sie alle Töpfe und Blumenvasen mit Hyazinthen in einen extra Raum. Noch ehe die Morgenröte die Fenster erhellte war alles wieder an seinem gewohnten Platz und Oma labte sich an ihrem Duft. Hyazinthen in den schönsten Farben, nachtrot, lila, blau, weiß und einmal hatte sie sogar eine gelbe Blüte. Ebenso wie die Oma die Blüten selbst mochte liebte sie die Geschichte aus der antiken Götterwelt wie es überhaupt zur Entstehung der Hyazinthe kam.
>Zeus bekam Gefallen an einem irdischen Prinzen und holte ihn als Mundschenk in den Olymp. Der wunderschöne Knabe Hyacintos gefiel Apollo sowie dem Westwindgott Zepyros. Beide buhlten um die Liebe des Hyacintos, der sich für Apollo entschied.
Aus Eifersucht setzte Zepyros seine Kraft ein und Hyacintos wurde getötet. Aus dem Blut des Hyacintos ließ Apollo die Hyazinthe entstehen.
„Schön, und traurig zugleich jedoch sehr poetisch. Was die Götter alles vermögen. Manchmal möchte ich auch so zaubern.“
„Was würdest du denn zaubern?“
„Im Augenblick würde ich sehr gern mit dir und Knuffel bei deiner Oma und ihrem Mann eine laue Sommernacht am Meer erleben.    


Siebtes Kapitel


Knuffel lag unruhig in seinem Bettchen. Die Fieberträume waren zwar vorbei doch Knuffel blieb in den letzten Wochen sehr angespannt. Den Seidenkokon mit der toten Raupe trug er ständig bei sich. In dieser Nacht war er so aufgeregt, dass er die tote Raupe im Kokon bat: „bitte, bitte, bringe mich zur Uroma Kathrin.“
Er rollte den flauschigen Kokon an seiner Wange hin und her. Da tropfte es aus dem Kokon. „He Raupe, Raupchen, du lebst ja,“ Knuffel konnte dies nicht fassen.
„Knuffel“, sagte da die Raupe, „ich helfe dir“ und die kleine Raupe schluchzte mächtig, so dass Knuffel sie kaum verstand.
„Knuffel, im Keller hinter dem Regal befindet sich der fliegende Teppich den deine Uroma Kathrin einstmals deinem Vati zum Geschenk machte. Dein Vati hat dieses Geschenk nicht geachtet aber du, Knuffel, hast ein Gefühl und eine Sehnsucht für die verschiedensten Dinge. Durch deine Hingabe, unbedingt die Oma Kathrin zu besuchen habe ich für kurze Zeit die Kraft dir das Geheimnis des Seidenteppichs anzuvertrauen. Schleich dich in den Keller und hole den Teppich, lege ihn in deinem Zimmer auf den Fußboden und achte darauf, dass deine Flugzeuglampe genau über dem Teppich schwebt.“
Abermals schluchzte die Raupe und Knuffel schauerte es. Er tat alles wie die Raupe es sagte. Knuffel war sehr nervös und als das Kellerregal laut krachend umfiel und er mit größter Anstrengung den kleinen Teppich hervorzog wurde ihm schwarz vor Augen. Flink rannte er mit dem Teppich in sein Zimmer und schmiss ihn in die Spielecke. Voller Panik lief er in die Küche, er hatte plötzlich durst. Seine kleinen Hände zitterten als er die Teekanne nahm. Sie entglitt ihm und zerbrach auf dem Fußboden. Die Eltern kamen herbei aber niemand schimpfte.
Als Knuffel dann wieder allein in seinem Zimmer war staunte er wie groß und weich inzwischen der Kokon geworden war.
„Das sind meine Tränen“, schluchzte erneut die Raupe. Streichle mit dem Kokon so lange über den Teppich bis mein Kokon wieder seine alte Größe erreicht hat. So habe ich über die Seidenfäden des Teppichs noch einmal Kontakt zu meinen Geschwistern die für diesen Teppich ihr Leben gelassen haben. Danach streiche mit deinen Händen selbst über den seidenweichen Teppich, schaue zu deiner Flugzeuglampe auf und wünsche dir ganz fest sofort zu deiner Oma Kathrin zu fliegen.
„Ja“, hauchte Knuffel. Etwas benommen saß er nun auf dem Teppich und rief nach seiner Uroma Kathrin. Noch im selben Augenblick erhob sich der Teppich und als Knuffel schon aus dem Fenster in die Nacht schwebte rief er „Halt“. „Raupe, Raupe, mein Teddy, wir müssen zurück.“
Der Teppich kehrte ins Kinderzimmer zurück und Knuffel holte schnell seinen Teddy. Von Neuem startete der Teppich mit Knuffel und seinem Teddy.
„Danke Raupe.“
Heißen Herzens schmiegte er den Kokon mit der immer noch schluchzenden Seidenraupe an sich, dann wusste er gar nichts mehr.
Als Knuffel wieder zur Besinnung kam flog er durch die Nacht, die Sterne wiesen dem Teppich den Weg. Der Mond krümmte sich vor lachen, schon sehr lange war es her, dass ein fliegender Teppich seine Bahn passierte. Aus den vorbeifliegenden Flugzeugen grüßten die Piloten ihren Kollegen Knuffel.
In welchem Land ist Oma Kathrin zu Hause, er hatte den Namen des Landes vergessen und die kleine schluchzende Seidenraupe war schon verstummt. Angst überfiel Knuffel und er klammerte sich fest an seinen Teddy. Der Teppich verlangsamte sein Tempo. Er drehte sich und tänzelte und sang behutsam dem Erdboden entgegen.
Ein erschöpfter kleiner Junge mit einem Teddy im Arm wurde sanft von einem Mann ins Haus getragen. Dort hatte eine ältere Frau für den kleinen ein Bett bereitet.


Achtes Kapitel


Es war schon lange Tag als Marian erwachte. Ihn lächelten zwei fremde Menschen an.
„Ich bin deine Uroma Kathrin und das ist mein Mann, er heißt Geheimnis.“
„Komm Knuffel“, sprach Geheimnis, „wir wollen zusammen Frühstücken und dann zeigen wir dir die Umgebung.“
Knuffel sprang aus dem Bett. Er stand jetzt ganz dicht vor seiner Uroma Kathrin.
„Lass mich fühlen wie du aussiehst,“ bat sie ihn.
Das war für Knuffel ein komisches Gefühl als die Oma ihn mit ihren Händen ansah. Sie schaute ihm direkt ins Gesicht und er verstand nicht, dass ihre grünen, lustig lachenden Augen, nicht mehr sehen können. Sie bedankte sich bei Knuffel weil er dem Zauber des Seidenteppichs vertraute und sich liebevoll um die schluchzende Seidenraupe im Kokon gekümmert hat.
Nun saß Knuffel am Frühstückstisch. Es gab reichlich Obst, Oliven, Schafskäse in Salztunke und Honigkuchenbrötchen und der Tee wurde aus den kleinen Gläschen getrunken.
„Oh je, zu Hause habe ich die Schachtel mit den kleinen Teegläschen vergessen die ich mit hier her bringen wollte aber ich war so aufgeregt und alles ging so schnell.“
Geheimnis lächelte, „Knuffel, hier gibt es genügend von diesem Geschirr.“
Geheimnis, welch eigenartiger Name, fand Knuffel. Knuffel war beeindruckt von Geheimnis, der anscheinend all seine Wünsche kannte. Knuffel wollte gerade fragen ob es hier auch Kamele gibt, doch da standen sie schon im Garten. Für Knuffel ein kleines und für die Großeltern zwei große Kamele.
Auf dem Rasen vor dem Haus lag der kleine Seidenteppich. Nun konnte ihn Knuffel richtig betrachten. Fransen hatte er an den Seiten und war in den verschiedensten Brauntönen eingefärbt. Umrahmt war der Teppich von einem Blumenmuster aus vanillefarbenen Blüten. Mit großer Konzentration verfolgte Knuffel was Geheimnis über die Herstellung des Teppichs erzählte.
„Fleißige Frauenhände sind es, die sehr geschickt diese Teppiche herstellen, eine mühsame Arbeit, deshalb müsse man diese Teppiche besonders achten und nicht nur wegen der Seidenraupen.
Wenn du magst, Knuffel, besuchen wir nächste Woche eine Teppichwerkstatt. Doch im Moment ist wohl der Ausritt auf den Kamelen reizvoller für dich“, sagte wieder lächelnd Geheimnis.
„Nicht so schnell meine Herren,“ rief die Oma Kathrin, „bevor unsere kleine Karawane am Meer entlang zieht, rufen wir erst einmal deine Eltern an.


Neuntes Kapitel


Mareike hatte starke Kopfschmerzen. Es war wohl doch zu viel Wein gestern Abend und sie legte sich wieder ins Bett.
Samstagmorgen, Pascal war beim Bäcker. Er deckte den Frühstückstisch für seine Schlafmützen. Dann rief er den Opa Günter an und lud ihn zum Frühstück ein.
Pascal beschloss zuerst Knuffel wach zu machen. Gemeinsam wollten sie dann Mareike mit Knuffels Wasserspritzpistole wecken.
Doch wo war Knuffel. Das Licht im Kinderzimmer brannte und Knuffels Schlafanzug lag zusammengeknüllt auf dem Bett. Pascal rannte zu Mareike. Er dachte Knuffel hat sich im Ehebett versteckt. Mit einem Schwung riss er die Bettdecke hoch. Im Bett lag nur Mareike die gähnend protestierte. Ratlos saßen die Eltern auf der Bettkante, wo konnte Knuffel bloß sein?
Nichts ahnend trat Opa Günter zu den beiden. Er wollte sich ein Glas Sauerkraut borgen. Dafür hatte von den beiden keiner Nerven. Barsch herrschte Pascal seinen Opa an, er solle sich selbst das Glas Sauerkraut aus dem Keller holen. Eingeschnappt trabte der Opa in den Keller. Dort angekommen schrie er aus Leibeskräften nach Pascal. Schnell eilte Pascal in den Keller. Im selben Augenblick klingelte oben das Telefon.
Mareike nahm den Hörer ab und hörte: „Mutti, Mutti, bist du es“ und aus dem Keller brüllte Pascal: Mareike, das Kellerregal, gestern Nacht der große Krach, erinnere dich, der verdammte Teppich.“
Matreike brüllte zurück: „sei ruhig.“
„Mutti hörst du mich. Ich bin heute Nacht mit dem fliegenden Teppich zu Oma Kathrin geflogen und jetzt reiten wir auf den Kamelen am Meer entlang und den Fisch mit den Glasbutzern gibt es wirklich Mutti. Und Mutti, sage Vati, dass der Teppich fliegt wenn man die Toten achtet und die Menschen, die andere Menschen lieb haben. Mutti hier ist es  wunderschön und die Oma Kathrin und ihr Mann, der Geheimnis heißt, ulkiger Name was?“ Knuffel lachte ganz laut, „haben mir erlaubt, dass ich bis zum Schulanfang bei ihnen bleiben darf. Zur Einschulung bringen sie mich nach Hause und wollen mit uns feiern. Bis bald Mutti, ich hab euch lieb.
Mutti, nicht auflegen. Mutti, ihr müsst auch mal hier her kommen, bitte, bitte!
Geheimnis und Oma Kathrin wohnen in einem kleinen weißen Haus, von außen sieht es aus wie ein Stückchen Würfelzucker.“
Knuffel war sehr aufgeregt und die Worte sprudelten nur so aus ihm heraus, er wollte nichts vergessen zu erzählen.  
„Im  Haus ist der Fußboden aus bunten Kacheln, einen Baum, ein bisschen Meer, eine Sonne, einen Mond und viele bunte Katzen kann man erkennen. Diesen Fußboden hat Geheimnis extra für die Oma Kathrin gemacht weil sie mit den Händen die Form der Mosaikbilder nachfühlen kann und wenn es regnet bleibt man trocken und denkt man ist im Freien,“ sagt Geheimnis.
„Wenn viel Besuch kommt wird das Haus größer und lädt zu einem Festmahl ein. Geheimnis hat vor dem Haus Granatapfelbäume gepflanzt, köstlich schmeckt ihr Saft. Das kleine Kamel hat ganz lange Wimpern und ein flauschiges Fell.
Nun gebe ich mal der Oma Kathrin den Hörer, also tschüß Muttilein.“
Mareike dachte sie wäre noch immer im Rausch. Jäh riss sie sich zusammen als aus dem Telefonhörer sie eine Frauenstimme ansprach: „Mareike, ich bin es, die Oma Kathrin. Bitte macht euch keine Sorgen. Knuffel fühlt sich wohl bei uns und zum Schulanfang bringen wir ihn zurück. Grüße bitte Pascal und auch meinen ehemaligen Mann Günter. Sage Pascal, ich habe mich sehr gefreut, dass er sich an meine Kiste mit den Reisesouvenirs und den damit verbundenen Erzählungen erinnert hat. Ich freue mich Mareike, dass dich der rote Mantel so gut kleidet, pass auf den Harlekin auf, wenn er die Tränen abschminkt führt er etwas im Schilde. Es stimmt mich glücklich, dass dich manche Geschichte in einen außergewöhnlichen Zustand versetzt hat.  
Alles Gute für euch, bis bald in Deutschland, auf wiederhören.“
Mareike schrie so laut sie konnte, “nein, das halte ich nicht aus!“
Pascal und sein Opa beruhigten die schreiende und um sich schlagende Mareike.
Opa Günter sagte, „der Junge hat durch die Geschichten von Kathrin eine solche Sehnsucht zu ihr aufgebaut und durch seine Ausdauer im Wünschen wurde alles Realität. Ihr könnt mir glauben, so verrückt Kathrin auch ist, Knuffel wird es gut haben bei den beiden und Knuffel wird einen unvergesslichen Urlaub haben bevor er in die Schule kommt.“
Erleichtert setzten sich die drei an den Frühstückstisch und genossen das Samstagsfrühstück.
 
ENDE