Viel Freude beim lesen

Gedichte G


Gefangene Madonnen


        Ihr Dasein gefristet

        in den Dunkelkammern defekter Netzhäute.

        Licht ist ihnen ihre Phantasie.

        Beflügeln sie ständig Engel.

        Gefangene Madonnen

        pendeln sie zwischen Mut und Angst.

        Balancieren sie aus den Träumen

        in das Wagnis Leben


gefühle und gedanken bahnen sich ihren weg

werden kultur

kultur ist die herausforderung

an die menschlichkeit


Gegenwart


Meine Erinnerung windet sich.

Kriecht mir zögernd aus dem Mund

und springt dann blitzschnell dir ins Hirn.

Lachen – schrilles Verlachen der Gegenseite

macht mich nach vierzehn Jahren nicht mehr laut wütend.

Nein ich steh auf, ich gehe einfach.

Ich habe gelernt.


Gegrenztes


Grenze

Balance zwischen Zögern und Sprung


Grenze

Vielleicht Einsicht in die Umkehrung


Grenze

Herausforderung zum Übertritt


Grenzen verschwinden

wenn du bei mir liegst – mir beiliegst

Bereitwillig beginnen unsere Körper

durch Wort und Tat zu schwingen

Demokratie der Sinnlichkeit

verspürst nun auch du große Lust

im Gebälk der Leiber

Heimstätte der Haut


Und Liebe


Gesichter hinterlassen Spuren

Schattenspiele unserer Begegnung

Küsse hinterlassen Berührung

Hoffnung auf Wiederholung

Hände hinterlassen Halt

wohlige Erinnerung

Meine Herzklappen nehmen deinen Weg zu mir auf

süße Erfüllung


Gestern

Gestern noch war alles so lebendig und so farbig.

Heute ist alles einsilbig und grau.

Schaff ich’s durch meine Phantasie zurück ins Gestern?

Oder wird jedes Morgen ein Heute?


Glück

An einem solchen Tag

kriecht die ganze Welt mir in mein Herz.

Mir will dann wohl mein Frack platzen.

So bläht das Glück mir das feine Tuch.

Fliege Seelchen!

Tränen sind jetzt Edelsteine.

Im Übermut sie meine Hand

in die Masse verschwendet.

Fliege Seelchen!


Gott ist für mich was wir uns selbst und gegenseitig antun

unsere Fürsorge

unsere Verachtung


Graal - Müritz


Ich sehe die Wellen rauschen

am Meer wo mir die Gedanken leicht in Worte fallen.

Auf das weiße Papier fallen sie, die Worte, in meerblauen Buchstaben.

Und das zähflüssige Suchen nach Poesie in den letzten Monaten

ist nun im Sand vergraben.

Die Möwen schreien, gegenwärtig, in Vergangenheit, in Zukunft,

mal ein Kind, mal ein Tier – ihr Geschrei aufgespalten in den Rufen der Welt!  

Der Wind trägt alle Last der Erinnerung in die Ferne

und das Meer bittet mich hierzubleiben, ich folge.

Bitte den Ewigen noch eine Weile mich am Meer sorgenlos zu lassen.


Hier in der Klinik in Graal – Müritz

sind meine Gedanken eine einzige Besinnung auf mich selbst.

Die Endlichkeit ist nicht mehr eng.

Ich öffne die Türen und Fenster

erst recht zu Hause!


Grenzen zugeben


Könnte ich nicht meine Grenzen zugeben,

wären dann die Grenzpunkte geschmeidiger?

Du vielleicht auch?

Steh´n wir uns mit Würde gegenüber

- ohne uns zu bespitzeln

- ohne uns anzufeinden

- ohne uns zu denunzieren.

Was wollen wir

Frieden, Liebe, Macht, Reichtum,..?

Wettbewerb immerzu – wer gibt sich zuerst zufrieden?

Wer zollt Beifall?

Sind Worte nur ein Vorwand für Inaktivität?



Grenzen    


Die Grenze des Tages ist die Nacht.

Mir sind die warmen Tage am liebsten,

zu sitzen in Caféhäusern an Stranden

in guten Gesprächen

herzlichem Lachen durchzogen von jauchzendem Kindergeschrei.

Fliehen der Tag und ich, umworben vom Abendrot in die Nacht,

in die dunkle kühle Nacht.

Überschirmt von den Seelen der Vergangenheit,

funkelnde Wegweiser, die sich an den gelben Mond schmiegen.

Hand in Hand mit dir unserer Ruhestätte entgegen,

begleitet von verstohlenen Blicken anderer vorbeiziehender Liebespaare.

Angekommen nun, um dann einzutauchen in die Rhythmik dieser Nacht.

Die Grenze der Nacht ist erreicht,

hat dem hellen schrillen Morgen seine Aufgaben angezogen.

Geboren aus Angst, Sehnsucht, Hoffnung der vergangenen Nacht

haste ich durch die sprudelnden Menschenmassen.

Eingehüllt von schreienden Kindern, verschlafener Freundlichkeit,

Autogetöse, Bauhandwerkslärm und Kaffeeduft.

Bahne mir den Weg dorthin,

wo ich acht Stunden und auch länger alltäglich sein muss,

du es auch sein musst.

Voll ungeduldigem Warten auf das Herannahen eines neuen Abendrot.


Großes Russland


Großes Russland, ich war noch nicht bei dir

doch deine Menschen schicktest du mir.

Erzählen sie mir vom einfachen schweren Leben

von Entbehrung, von Vertreibung und Zwangsarbeit.

Erzählen sie mir von den Beschimpfungen gegen Minderheiten.

Erzählen sie mir von deiner gewaltigen Natur, von deinen Schätzen.

Erzählen sie mir von der Liebe, von der Freundschaft.

Erzählen sie mir von der Klugheit, von der Einfalt.

Großes Russland,

an jeder Landesgrenze ein anderes Herz,

eine andere Sehnsucht.

Großes Russland, ich war noch nicht bei dir

doch deine Menschen schicktest du mir.

Von dir die Menschen oft vertrieben

und hier nicht immer gern geduldet.

So ist die Vergangenheit der Bumerang in der Gegenwart.

So ist neben Gefühl auch Wissen

ein wichtiger Begleiter für Lebenswege.

Zum Trost der Seele gabst du ihnen in die Kehle

eine Nachtigall.